
Goldman Sachs: Chinas Ölreserven wachsen schneller als gedacht
Es ist aktuell keine leichte Aufgabe, die Entwicklungen am Ölmarkt einzuordnen. Umso lieber setzt man auf die Einschätzungen erfahrener Analysten. So rechnen etwa die Fachleute von Goldman Sachs damit, dass die Nachfrage aus China robust bleibt, da das Land seine Ölreserven deutlich schneller aufstockt als bisher.
Nach Einschätzung von Daan Struyven, dem Leiter der Ölmarktforschung bei Goldman, könnte die Volksrepublik in den kommenden fünf Quartalen täglich rund 500.000 Barrel zusätzlich einlagern. Diese Prognose liegt deutlich über bisherigen Schätzungen zum chinesischen Vorratsaufbau. So rechnet man im Handelshaus Gunvor gerade einmal mit etwa 200.000 B/T, die in den kommenden Monaten in chinesische Lagerstätten fließen.
Die tatsächliche Höhe der chinesischen Bestände, insbesondere der strategischen Reserven, bleibt ein streng gehütetes Staatsgeheimnis, so dass Analysten üblicherweise auf Daten externer Analyseunternehmen zurückgreifen. Und diese zeigen schon seit einigen Jahren, dass China immer wieder Niedrigpreisphasen genutzt hat, um seine Lagerbestände aufzufüllen – nicht zuletzt auch mit billigem, sanktionierten Öl aus Russland und dem Iran.
Obwohl man bei Goldman Sachs also weiterhin mit einer robusten Nachfrage aus China rechnet, weisen auch die Expertinnen und Experten des amerikanischen Bankhauses auf die Gefahr einer Ölschwemme in den kommenden Monaten hin. Dies macht sich an den Preisprognosen bemerkbar, die laut Goldman Sachs Mitte 2026 auf um die 55 Dollar pro Barrel Brent fallen könnten.
Bakken-Ölfeld zeigt Anzeichen der Schwäche – Pipeline-Durchfluss sinkt
Eigentlich rechnet aktuell jeder, der etwas vom Ölmarkt versteht, mit einem Angebotszuwachs, der nicht zuletzt auf die starke Ölförderung in den USA zurückgeht. Allerdings zeigt die Produktion in Amerikas zweitgrößtem Schieferölgebiet Anzeichen der Schwäche. So sind die Pipeline-Durchflüsse, die Öl aus der Bakken-Region Richtung Südosten transportieren zuletzt gesunken.
Das Beratungsunternehmens Wood Mackenzie meldet einen Rückgang der Durchflüsse durch die Dakota-Access-Pipeline, die Öl aus der Bakken-Region in North Dakota zu einem Terminal in Illinois transportiert. Die Mengen sind von 566.000 B/T im Juli auf 542.000 B/T gesunken, nachdem sie im Januar noch einen Höchstwert von 588.000 B/T erreicht hatten.
Eigentlich war für Ende 2025 und Anfang 2026 ein Produktionsanstieg im Bakken erwartet worden. Doch aufgrund der großen Preisempfindlichkeit von Schieferöl, sowie der wachsenden Konkurrenz aus Kanada zeigt sich hier inzwischen ein anderes Bild. Die Gesamtproduktion in North Dakota fiel im Juni laut US-Regierungsdaten auf 1,15 Mio. B/T und lag damit 1,6 % unter dem Januar-Wert.
„Es gibt eine Menge ungenutzter Kapazität – die Pipeline läuft ziemlich leer“, stellt Gage Dwan, Energieanalyst bei East Daley, in Bezug auf die Dakota-Access-Pipeline fest. „Unser Modell zeigt eine rückläufige Produktion bis zum Jahresende und in Teilen von 2026.“
Marktlage
Die Ölpreise bleiben zum Ende der Woche unter Druck und setzen heute die Verluste der gestrigen Sitzung fort. Ausschlaggebend sind Befürchtungen über eine nachlassende Nachfrage in den USA sowie ein Überangebot am globalen Ölmarkt. Geopolitische Risiken wie der Konflikt in Nahost oder der Krieg in der Ukraine treten damit wieder in den Hintergrund.
Neben einer Vielzahl an bearishen Marktberichten in den letzten Tagen, sorgten auch aktuelle Konjunkturdaten aus den USA gestern für Sorgenfalten auf der Stirn der Anleger. Sie zeigten, dass die US-Verbraucherpreise im August so stark gestiegen sind wie seit sieben Monaten nicht mehr.
„Der Inflationskampf in den USA scheint noch nicht gewonnen. Das dämpft die Nachfrageaussichten für Öl in der weltweit größten Volkswirtschaft. Selbst geopolitische Unruhen reichen derzeit nicht aus, um die Preise zu stützen, da die Fundamentaldaten auf ein Überangebot und eine schwache Nachfrage hindeuten“, kommentiert Marktanalystin Priyanka Sachdeva von Phillip Nova.
Neben dem Inflationsanstieg, der im Vorfeld erwartet worden war und damit nicht allzu überraschend ausfiel, zeigte der US-Arbeitsmarkt mit seinen wöchentlichen Daten leichte Anzeichen der Schwäche. Damit bleibt die Erwartung hoch, dass die US-Notenbank Federal Reserve kommende Woche – trotz hoher Inflation – die Zinsen senken wird, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Dies könnte die Ölnachfrage dann wiederum etwas stützen.
Die erwartete Ölschwemme im kommenden Jahr dürfte das aber wohl trotzdem nicht aufhalten, zumindest, wenn es nach der IEA geht, die ein Überangebot von +3,3 Mio. B/T prognostiziert, vor allem aufgrund geplanter Förderausweitungen durch die OPEC+ Staaten. Die OPEC selbst beließ ihre Prognosen für das weltweite Nachfragewachstum 2025 und 2026 unverändert und verwies auf ein solides globales Wirtschaftswachstum.
Der Markt schwankt damit weiter zwischen Druck durch Angebotsüberschüsse und Sorgen über kurzfristige Störungen, wie die Analysten von SDIC Futures schreiben. Gleichzeitig stellen sie fest, dass die geopolitischen Risiken der vergangenen Tage zunehmend ihre preistreibende Wirkung verlieren.
Aus fundamentaler Sicht nehmen wir daher heute einen leicht bearishen Standpunkt ein. Allerdings bleibt der Markt, wie schon in den vergangenen Wochen und Monaten, stark von Unsicherheiten geprägt. Auch die aktuell bearish wirkenden Faktoren basieren auf Schätzungen und Prognosen, die sich nicht zwingend bewahrheiten müssen. Es muss also auch weiterhin mit erhöhter Volatilität gerechnet werden.