Erwartetes Überangebot lässt Markt nicht los

Marktlage
Nachdem sich die beiden Rohölkontrakte Brent und WTI Ende letzter Woche wieder teilweise von dem Preisrutsch am Mittwoch erholt hatten, gaben sie am gestrigen Montag wieder leicht nach. Dabei starteten die Kontrakte bereits unterhalb der Settlementpreise von Freitag in die neue Handelswoche und kehrten trotz zwischenzeitlicher Gewinne letztlich auch wieder darunter zurück. 

Zwar schränken die Sanktionen des Westens gegen Russland - vor allem auch die US-Sanktionen gegen die beiden russischen Ölriesen Rosneft und Lukoil - die Abwärtspotenziale der Rohölpreise ein und auch die stetigen Angriffe der Ukraine auf die russische Energieinfrastruktur verhindern stärkere Preisrückgänge, allerdings wagen sich die Trader angesichts der erwarteten Überversorgung auch nicht weit nach oben. 

Die Tatsache, dass sogar die OPEC selbst in ihrem am vergangenen Mittwoch veröffentlichten Monatsbericht für das dritte Quartal 2025 bereits eine Überversorgung von +0,5 Mio. B/T nannte (statt des Angebotsdefizits von-0,4 Mio. B/T, die noch im Oktober-Bericht vermerkt war), lässt die Bedenken hinsichtlich einer Überversorgung nicht kleiner werden, obwohl die Organisation ihre Prognosen zum Nachfragewachstum für 2025 und 2026 nicht anrührte.

Hinzu kommt, dass bislang auch die Ausfälle durch ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Ölanlagen bislang meist keine langwierigen Beeinträchtigungen des Angebots zur Folge hatten. So wurden auch die Verladungen am Schwarzmeerhafen Noworossijsk nach dem Angriff am Freitag nur zwei Tage später wiederaufgenommen. Nichtsdestotrotz behalten die Trader die geopolitischen Risiken im Blick, zumal auch noch abzuwarten bleibt, wie stark die US-Sanktionen gegen Russland das Ölangebot des Landes noch beeinflussen werden. Dabei könnten den Sanktionen gegen die russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil möglicherweise noch Maßnahmen folgen, die die Abnehmer von russischem Öl indirekt in Form von US-Zöllen betreffen.

"Der Markt wägt die bearishen Aussichten beim (Angebots-)Saldo gegen die bullishen Risiken geopolitischer Lieferengpässe aus Russland und anderen Ländern ab", meint auch Analyst Saul Kavonic von MST Marquee zur aktuellen Situation am Markt. "Sollte sich die Durchsetzung der Sanktionen als lasch erweisen, die Konflikte nicht eskalieren und die OPEC ihren aktuellen Kurs beibehalten, dürfte der Markt letztendlich weiternachgeben", so Kavonic weiter.

In puncto OPEC(+)-Strategie werden die Marktteilnehmer auch gespannt sein, was US-Präsident Trump mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman besprechen wird, der heute in der US-Hauptstadt zum Staatsbesuch erwartet wird. Neben Themen wie Verteidigung und Handel dürfte mit Sicherheit auch die Ölproduktion der OPEC und ihrer Partner zu den Punkten auf der Agenda des Treffens gehören. Trump hatte immerhin gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit als Präsident die OPEC dazu aufgefordert, die Produktion zu steigern und die Preise damit zu senken. 
  
Davon abgesehen darf man gespannt sein, welche wichtigen US-Konjunkturdaten nach dem vorübergehenden Ende des US-Regierungsshutdowns nun wann nachgereicht werden. Auch von diesen könnten die Ölfutures neue Impulse erhalten. Heute Morgen orientierten sich die Ölfutures zunächst einmal nach unten, wobei die beiden Rohölkontrakte bereits die Vortagestiefs testeten, während die Mitteldestillate noch nahe den Hochs von Montag notieren. Bei den Inlandspreisen deutet sich daher rein rechnerisch immer noch Aufwärtspotenzial zu den Erhebungspreisen von gestern an.

Daniel Ehrler
Die Marktnews beziehen sich auf die Entwicklung der internationalen Rohöl- und Produktnotierungen. Die effektive Preisentwicklung in der Schweiz kann aufgrund von weiteren Einflussfaktoren wie Transportkosten, Rheinfrachten oder Dollarkurs jedoch abweichen.

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