Geopolitische Risikoprämie wird wieder eingepreist

Iran: Neue US-Sanktionen gegen Reederei und chinesischeÖlterminals
Vor lauter Verhandlungen mit Putin geriet der Iran etwas aus dem Blickfeld der Marktteilnehmer. Das US-Finanzministerium aber will den Druck auf Teheran und sein Atomprogramm wieder steigern und hat nun das Netzwerk einer griechischen Reederei sowie chinesische Ölterminals auf die Sanktionsliste gesetzt.

Antonios Margaritis und das Firmennetzwerk in Griechenland und den Marschall-Inseln „haben ihre jahrzehntelange Erfahrung in der Reederei dafür genutzt um den illegalen Transport und Verkauf von iranischen Öl zu erleichtern,“ so die Begründung des US-Finanzministeriums. Zu den sanktionierten Firmen gehören die Marant Shipping and TradingSquare Tanker ManagementComford Management und United Chartering.

Auch die Betreiber der Ölterminals in Qingdao, Shandong und Zhejiang, Yangshan, finden sich nun auf der schwarzen Liste der USA. Der Qingdao Port Haiye Dongjikakou Oil Products und die Yangshan Shengang International Petroleum Storage and Transportation wird vorgeworfen iranisches Öl umgeschlagen zu haben, dass von sanktionierten Tankern angeliefert wurde. Damit werden die Unternehmen von US-Zahlungssystemen, Versicherungen und anderen Leistungen ausgeschlossen.

Unmittelbaren Einfluss auf die Preisbildung haben die Maßnahmen zwar nicht, wenn die USA ihre Sanktionen nun aber ausweitet, wird dies sukzessive die Möglichkeiten für den Transport von iranischem Öl und damit das weltweite Ölangebot reduzieren. Auch im Zusammenhang mit Russlands Exporten kann dies als Signal gesehen werden, dass die USA ihre Interessen mit Sanktionen künftig wieder verstärkt durchsetzen könnten.

Indien: Verdoppelung der Zölle droht
Hatten indische Raffinerien zunächst noch den Anschein erweckt, dass sie die Importe aus Russland reduzieren, so hatten die Importe zuletzt wieder zugenommen.

Die USA hatte Indien aufgefordert, den Kauf von russischem Öl einzustellen und im Falle einer Missachtung mit einer Verdoppelung der Zölle gedroht. In Neu-Delhi ist man ohnehin wenig begeistert über den bisherigen Verhandlungsverlauf, da dem Land mit 25 % ohnehin schon fast die höchsten Abgaben unter allen Handelspartnern auferlegt wurden. Jetzt will man im Weißen Haus in Washington den Drohungen Taten folgen lassen und die Zölle auf 50 %anheben.

„Indien scheint seine Rolle bei dem Blutbad [in der Ukraine] nicht anerkennen zu wollen. Sie brauchen das Öl nicht. Es ist ein Mechanismus um Raffineriemargen [mit Russland] zu teilen“, kritisiert der US-Handelsberater Peter Navarro. Dieser rechnet damit, dass die Importzölle zum 27. August verdoppelt werden.

Friedensverhandlungen für Ukraine stocken
Die USA und ihre europäischen Partner haben nach den Treffen in Washington militärische Optionen für die Ukraine besprochen. Details dazu gibt es nicht, vermutlich handelt es sich aber um weitere militärische Unterstützung Kiews, sollte es nicht zu einem Waffenstillstand mit Russland kommen.

Trump hatte zuletzt über seine Posts bei Truth Social angedeutet, dass die Ukraine eventuell mehr Offensivmöglichkeiten erhalten soll. Die Ukraine sei großartig im Verteidigen, aber einen Krieg könne man ohne eigene Offensive niemals gewinnen. „Es ist sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich, einen Krieg zu gewinnen ohne das Land des Invasoren anzugreifen“, so Trump. Seinen Kommentar beendete er mit „Interessante Zeiten stehen bevor!!!“.

Wie immer sind die Kommentare Trumps sehr kryptisch, könnten aber ein Hinweis sein, dass man Kiew mehr Offensivwaffen zur Verfügung stellen will, um den Druck auf Moskau zu erhöhen. Wenig überraschend begrüßte Selenskyj diesen Vorstoß. Dabei wies der ukrainische Präsident die von Russland geforderte Übergabe weiterer ukrainisch kontrollierter Territorien sowie Territorien, die international anerkanntes Staatsgebiet der Ukraine sind, zurück.

Mit diesen Entwicklungen scheint eine diplomatische Lösung des Konflikts zumindest in absehbarer Zeit nicht möglich, was neue Sanktionen gegen Russland und dessen Ölexporte wieder wahrscheinlicher werden lässt, so die Einschätzung des Analysten Tamas Varga, von PVM Oil Associates.

Marktlage
Im Handel an den internationalen Ölbörsen wird nun langsam wieder eine größere Risikoprämie eingepreist, da die Aussicht, dass US-Präsident Trump zeitnah einen Frieden aushandeln kann, abgenommen hat.

Die Abwärtsbewegung an den Ölbörsen, die teilweise auf einen möglichen Vermittlungserfolg Trumps zurückzuführen war, ist aktuell gestoppt. Die Situation scheint mittlerweile genauso festgefahren wie zuvor, sodass man sich mit Short-Positionen wieder zurückhält und eher gegen eine Eskalation – militärisch oder mit Sekundärsanktionen der USA – absichert.

„Eine gewisse geopolitische Risikoprämie wird langsam wieder in den Markt eingepreist“, stellt auch das Analystenhaus Ritterbusch and Associates fest. Sollte es tatsächlich zu einer Ausweitung der Sanktionen gegen Russlands Handelspartner kommen, haben diese das Potenzial, das globale Ölangebot zu reduzieren, was sich dann entsprechend bullish auf die Futures an ICE und NYMEX auswirkt.

Langfristig allerdings sieht Analyst Alex Hodes von StoneX eher einen bearishen Markt und verweist dabei auf die prognostizierte Überversorgung von IEA und IEA in 2026. Beide Institute gehen nach den Produktionssteigerungen der OPEC+ von einem Überangebot im kommenden Jahr aus. „Mit den erwarteten signifikanten Bestandsaufbauten vom nächsten Quartal an, bleibt der fundamentale Ausblick für den Markt klar bearish“, so auch die Einschätzung von Warren Patterson von der ING.

Dennoch gibt es kurzfristig stützende Faktoren, insbesondere da der Markt momentan stark auf neue Meldungen zum Krieg zwischen Russland und Ukraine reagiert. Ein reaktiver und volatiler Markt ist typisch für eine Situation mit großer Unsicherheit, die nicht nur bei den Friedensverhandlungen sondern eben auch bei Handelsabkommen mit China und Indien vorherrscht.

Kommentare von Powell aus Jackson Hole zu einer möglichen Zinssenkungen der Fed stehen heute wohl auch im Fokus, da eine Reduzierung der Zinssätze die Ölpreise stützt. Kurzfristig bleiben wir mit den aktuellen Entwicklungen bei unserer leicht bullishen Markteinschätzung, auch wenn die langfristige Konstellation eher bearish zu sehen ist. Bei den Inlandspreisen deuten sich heute Morgen unterdessen deutliche Preissteigerungen an, da die Öl-Futures ihre gestrigen Kursgewinne bisher konservieren können und der Euro etwas schwächer bleibt.

Daniel Ehrler
Die Marktnews beziehen sich auf die Entwicklung der internationalen Rohöl- und Produktnotierungen. Die effektive Preisentwicklung in der Schweiz kann aufgrund von weiteren Einflussfaktoren wie Transportkosten, Rheinfrachten oder Dollarkurs jedoch abweichen.

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