Fed-Zinsen, Ukraine-Krieg, Strafzölle – Neue Woche, alte Themen

Nach Drohnenangriff: Großbrand an russischemExportterminal
Die Ukraine hat am Sonntag erneut einen groß angelegten Drohnenangriff auf Russland durchgeführt. Bei diesem wurde offenbar nicht nur der Reaktor eines der größten Kernkraftwerke des Landes in Kursk getroffen, sondern auch ein Großbrand am Treibstoffexportterminal von Ust-Luga ausgelöst.

Nach Angaben des Gouverneurs der Region Leningrad wurden in der Nacht vom Sonntag mindestens zehn ukrainische Drohnen über dem Hafen von Ust-Luga abgeschossen. Trümmerteile lösten dort einen Brand am von Novatek betriebenen Treibstoffterminal aus. Die Anlage verarbeitet unter anderem Gas-Kondensate zu Naphtha, Kerosin, Heizöl und Gasoil und exportiert diese Produkte direkt vor Ort, überwiegend nach Asien. Die Löscharbeiten dauerten am Sonntag an.

Damit verschärft sich die Lage für russische Energieexporte weiter, denn die Ukraine hat in den letzten Wochen ihre Drohnenangriffe massiv ausgeweitet. Zuletzt waren auch immer wieder Ölverarbeitungsanlagen ins Visier geraten, so twa die Raffinerie in Novoshakhtinsk. Die Brände an der Anlage mit einer Kapazität von etwa 100.000 B/T konnten auch nach vier Tagen noch nicht vollständig gelöscht werden.

US-Vize spricht von „erheblichen Zugeständnissen“ Moskaus
Russland hat nach Darstellung des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance „erhebliche Zugeständnisse“ bei den Verhandlungen um einen Frieden in der Ukraine gemacht. So gebe es inzwischen Konsens darüber, dass die Ukraine ihre territoriale Integrität behalten werde. Eine Bestätigung dieser Aussagen aus Russland gibt es nicht.

Vance sagte in einem Interview des Senders NBC: „Sie waren tatsächlich bereit, bei einigen ihrer Kernforderungen flexibel zu sein. Sie haben darüber gesprochen, was notwendig wäre, um den Krieg zu beenden“. Dabei habe der Kremlneben der Territorialfrage angeblich auch erkannt, dass man in Kiew kein Marionettenregime installieren könne.

Amerikanische Bodentruppen werde es laut Vance in der Ukraine nicht geben, doch werde man sicherstellen, dass die Ukrainer die Sicherheitsgarantien und das Vertrauen hätten, die sie bräuchten, um den Krieg von ihrer Seite aus zu beenden. Wieviel an den Aussagen des US-Vize dran ist, bleibt abzuwarten. Zuletzt ließen die Kommentare aus dem Kreml eher darauf schließen, dass es noch ein weiter Weg sein dürfte, bis es zu ernst gemeinten Friedensverhandlungen kommt.

USA/Indien: Zollverhandlungen am seidenen Faden
Während ein Ende des Ukraine-Krieges wieder in weitere Ferne rückt, richtet sich der Fokus am Markt einmal mehr auf Indien. Dem Land drohen ab Mittwoch Strafzölle von 50%, da zu den 25% US-Einfuhrzöllen nun noch einmal 25%Sekundärzölle als Strafe für russische Ölimporte hinzukommen sollen. Die Verhandlungen dazu hängen am seidenen Faden.

Indiens Außenminister erklärte am Samstag, dass die Handelsgespräche mit den USA zwar fortgesetzt werden, Neu-Delhi jedoch bestimmte Grenzen wahren müsse. Ein geplanter Besuch von US-Handelsunterhändlern in Neu-Delhi vom 25. bis 29.August war zuletzt abgesagt worden, was am Markt für Zweifel an einer Abmilderung oder Verschiebung der neuen Zölle gesorgt hatte.

Wohl nicht zu Unrecht, denn der indische Außenminister bekräftigte am Samstag die Haltung seiner Regierung, wonach der Import russischer Mengen eine ökonomische Notwendigkeit sei. „Wir haben einige rote Linien in den Verhandlungen, die wir verteidigen müssen“, so Subrahmanyam Jaishankar. Der Politiker merkte zudem an, dass Washingtons Kritik an Indiens russischen Ölimporten nicht auf andere große Abnehmer wie China und die Europäische Unionübertragen werde.

Die Aussichten auf einen Deal sind damit eher schlecht. Analysten warnen, dass die vollständige Umsetzung der Zölle das indische Wirtschaftswachstum 2025 und2026 um jeweils 0,8 % bremsen könnte. „Der langfristige Schaden könnte noch größer sein, da hohe Zölle Indiens Attraktivität als globaler Fertigungsstandort schmälern könnten.“ Damit dürfte auch die Ölnachfrage desdrittgrößten Verbrauchers der Welt einen Dämpfer erhalten und am Ölmarkt bearish wirken.

Marktlage
Die letzte Woche endete für die Notierungen an ICE und NYMEX mit einem relativdeutlichen Wochengewinn und auch heute starten die Kurse auf relativ hohem Niveau in den Montag. Grund ist neben den verstärkten ukrainischen Angriffen auf Russland auch eine gestiegene Risikofreude an den Märkten, nachdem die US-Notenbank Fed eine Rückkehr zu Zinssenkungen signalisiert hat.

Fed-Chef Jerome Powell hatte am Freitag in seiner Rede im Rahmen des jährlichen Notenbanktreffens in Jackson Hole die Möglichkeit einer Zinssenkung im kommenden Monat in Aussicht gestellt. Die Rohstoffbörsen reagierten erfreut und profitierten nicht nur von der unmittelbar spürbaren Schwächung des Dollars, sondern auch von einer möglichen Stärkung der US-Konjunktur durch niedrigere Zinsen.

Auf Jahressicht gesehen bleiben die Kurse an ICE und NYMEX aber weiterhin im Minus und haben sich im August bisher auch kaum von der Stelle bewegt. Während dies zum Teil auf den saisonal bedingt dünnen Handel an den Börsenzurückzuführen ist, bleibt das altbekannte Spannungsfeld aus Unsicherheiten und widerstreitenden Marktfaktoren bestehen.

So beobachten die Anleger nach wie vor die Friedensbemühungen im Ukraine-Krieg und die daran geknüpften Sanktionen und Strafzölle. Gleichzeitig bleiben die grundsätzlichen Handels- und Zollkonflikte ein Marktthema, ebenso wie die OPEC+ Produktionssteigerungen und die für die kommenden Monate erwartete Angebotsschwemme.

„Der Fokus liegt weiterhin auf kurzfristigen Ereignissen, und die möglichen fundamentalen Abwärtsrisiken sind noch nicht eingepreist“, erklärt Gao Jian, Analyst bei Qisheng Futures in China. Die positiven Effekte möglicher Zinssenkungen der Fed könnten sich erst verzögert auswirken, glaubt der Experte.

Aktuell dürften Faktoren wie die zahlreichen ukrainischen Drohnenangriffe die Marktstimmung am meisten beeinflussen, vermutet zumindest Tony Sycamore, Marktanalyst bei IG: „Angesichts der Erfolge der Ukraine bei Angriffen auf russische Ölinfrastruktur verlagern sich die Risiken für Rohöl eher nach oben“.

Die fundamentale Einschätzung bleibt damit auch aus unserer Sicht leicht bullish, wobei die kurzfristigen Angebotsrisiken und die möglichen Fed-Zinssenkungen durch die mittel- und langfristig eher bearishen Marktaussichten etwas abgemildert werden. Bei den Inlandspreisen überwiegen heute dank des Preissprungs beim Euro von Freitag signifikante Preisabschläge im Vergleich zu Freitagvormittag.

Daniel Ehrler
Die Marktnews beziehen sich auf die Entwicklung der internationalen Rohöl- und Produktnotierungen. Die effektive Preisentwicklung in der Schweiz kann aufgrund von weiteren Einflussfaktoren wie Transportkosten, Rheinfrachten oder Dollarkurs jedoch abweichen.

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