Drohnenangriffe und Streit um Russland-Sanktionen - Geopolitische Risikoprämie steigt

Russische Schwarzmeer-Häfen stoppen Verladungen nach Drohnenwarnung
Der ukrainischen Drohnenoffensive gelingt es weiterhin, die russische Energieinfrastruktur empfindlich zu stören. So haben heute früh zwei wichtige Ölhäfen an der russischen Schwarzmeerküste nach Drohnenwarnungen die Verladungen vorübergehend eingestellt. Betroffen sind das Terminal des Kaspischen Pipeline-Konsortiums (CPC) sowie die Anlage Scheskharis nahe der Hafenstadt Noworossijsk.

Ein Sprecher des CPC bestätigte die Unterbrechung und sprach von einer Routine-Maßnahme bei Alarmen dieser Art. Auch Scheskharis habe die Arbeiten gestoppt, hieß es aus informierten Kreisen. In Noworossijsk waren am Mittwoch Sirenen zu hören, nachdem die Stadtverwaltung vor Drohnenangriffen gewarnt hatte. Das CPC-Büro im Hafen soll dabei beschädigt worden sein.

Das kasachische Energieministerium versicherte allerdings, die Befüllung des CPC-Pipeline laufe weiter – ein Hinweis darauf, dass die Unterbrechung wohl nur von kurzer Dauer ist. Die beiden Anlagen exportieren zusammen täglich mehr als 2 Mio. B/T russisches und kasachisches Öl und zählen damit zu den wichtigsten Knotenpunkten im weltweiten Energiemarkt. Zum Vergleich: Der globale Seehandel mit Rohöl beläuft sich auf rund 40 Mio. B/T.

Marktlage
Die Ölmärkte bleiben gestützt, so dass sich Brent und WTI im Bereich ihrer gestern erreichten Mehrwochenhochs halten. Getrieben wurden sie dabei nicht nur von einem Rückgang der US-Ölbestände, sondern vor allem durch Sorgen über mögliche Angebotsausfälle infolge ukrainischer Angriffe auf russische Energieinfrastruktur. Die geopolitische Risikoprämie hat sich damit wieder deutlich verschärft.

Zumal US-Präsident Trump zuletzt weiter Öl ins Feuer goss. Seine zunehmend scharfe Rhetorik gegen die UN, die NATO und die EU hat die Lage nicht gerade deeskaliert. Zwar revidierte Trump seine früheren Aussagen gegenüber der Ukraine, wonach diese „kein gutes Blatt auf der Hand “ habe, doch konkrete neue Unterstützungsschritte für Kiew nannte er nicht. Stattdessen erhöhte er den Druck auf die europäischen Partner.

Dass diese sich allerdings beugen werden, ist aus Sicht der amerikanischen Großbank Goldman Sachs eher unwahrscheinlich, da einzelne Mitgliedsstaaten wie Ungarn und die Slowakei stark von den Lieferungen aus Russland abhängig sind. Zuletzt hatte Budapest wiederholt klar gemacht, dass ein Ausstieg aus russischer Energie für Ungarn überhaupt nicht möglich sei.

Unterdessen kommen aus Russland quasi täglich neue Meldungen zu Angriffen auf Energieanlagen wie Raffinerien, Pipelines oder Ölterminals. Zuletzt mussten zwei wichtige Ölhäfen an der Schwarzmeerküste nach Drohnenwarnungen ihren Betrieb vorübergehend einstellen. Die Strategie der Ukraine bleibt damit weiterhin erfolgreich, denn auch, wenn das Land längst nicht die Militärkraft wie Russland besitzt, bereiten die ständigen Nadelstiche gegen die wichtigste Einnahmequelle des Landes Moskau durchaus Probleme.

Mit dem Fokus auf die Entwicklungen in und um Russland haben am Ölmarkt aktuell die fundamental bullishen Faktoren Oberwasser. Allerdings bleibt das altbekannte Spannungsfeld aus widerstreitenden Markttreibern intakt, denn neben der gestiegenen geopolitischen Risikoprämie bleiben die bearishen Angebotsprognosen unverändert bestehen. Entsprechend verharren die Rohölfutures auch weiterhin in ihrer vergleichsweise engen Handelsspanne von ca. 5 Dollar, in der sie sich seit Anfang August bewegen.

Bei den Inlandspreisen überwiegen heute klare Preisaufschläge im Vergleich zu Mittwochmorgen, da sich hier der starke Anstieg von gestern durchsetzt.

Daniel Ehrler
Die Marktnews beziehen sich auf die Entwicklung der internationalen Rohöl- und Produktnotierungen. Die effektive Preisentwicklung in der Schweiz kann aufgrund von weiteren Einflussfaktoren wie Transportkosten, Rheinfrachten oder Dollarkurs jedoch abweichen.

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