Trotz bullisher DOE - Stimmung bleibt bearish

Kasachstan reaktiviert BTC Pipeline
Wegen einer Verunreinigung mit organischen Chloriden wurden die Rohöllieferungen über die Baku-Tbilisi-Ceyhan (BTC) Pipeline Ende Juli unterbrochen. Die Öllieferungen fielen in dieser Zeit nicht komplett aus und konnten mindestens teilweise umgeleitet werden.

Die Reinigungsarbeiten an der Anlage wurden vergangene Woche weitestgehend abgeschlossen, sodass man sich in Gesprächen befinde, die Pipeline nun wieder in Betrieb zu nehmen, hieß es aus dem kasachischen Energieministerium. Das dürfte Öllieferungen aus Kasachstan wieder einfacher und günstiger werden lassen.

Kasachstan hat keinen eigenen Zugang zu den Weltmeeren und ist daher bei den Exporten auf Pipelines angewiesen, mit denen man das Öl an die Verladeterminals anderer Länder liefert. Neben dem türkischen Ceyhan nutzt Kasachstan auch russische Häfen in der Ostsee und dem Schwarzen Meer.

Die Exporte über die BTC Pipeline wurden von Kasachstan im ersten Halbjahr um etwa 12% gesteigert und betrugen damit ca. 34.000 B/T. Auf Grund der geringen Liefermenge dürfte die Wiederinbetriebnahme der Anlage aber nur eine Randnotiz für die Ölbörsen bleiben.

Kasachstan förderte im Juli laut letztem Monatsreport der OPEC etwa 1,83 Mio. B/T und damit weiter deutlich mehr als die 1,51 Mio. B/T, die dem Land laut vereinbarter Quoten zustünden. Kasachstan ist zwar kein Mitglied der OPEC selbst, hatte sich aber dem OPEC+ Verbund angeschlossen. Die Regierung stellt schon länger die eigenen Interessen über die Quotentreue und verstößt so regelmäßig gegen die vereinbarten Förderbegrenzungen.

Marktlage
Die US-Ölbestandsdaten hatten gestern einen klar bullishen Impuls gesetzt, da die Vorräte in allen wichtigen Kategorien gesunken sind, während die Nachfrage gestiegen ist und sich auf einem hohen Niveau befindet.

Gedämpft wird der Einfluss allerdings durch den Umstand, dass die Raffinerien nun langsam in die Wartungssaison kommen, womit die Ölbestände sich in den kommenden Wochen und Monaten erholen können. Zeitgleich steht das US-Labor Day Wochenende an, was traditionell das Ende der Sommersaison markiert. Danach nimmt die Nachfrage in der Regel ab, was ebenfalls Druck aus den Beständen nehmen kann.

Im September wird zudem mit der angekündigten Produktionssteigerung der OPEC+ gerechnet, während Russlands Ölangebot von den US-Sanktionen unberührt bleibt. Zwar werden für die meisten indischen Güter in die USA nun 50 % Zölle fällig, Neu Delhi will sich aber nicht erpressen lassen und plant auch künftig, russisches Öl zu beziehen. Die US-Sanktionen haben damit also einen negativen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum Indiens – dem aktuell größten Wachstumsmarkt für die Ölnachfrage – können aber ihr eigentliches Ziel, die Ölexporte Russlands zu reduzieren, nicht erfüllen.

Experten rechnen daher damit, dass sich die Versorgungslage in den kommenden Monaten verbessert. Goldman Sachs beispielsweise geht ab dem 4.Quartal sogar von einem durchschnittlichen Überangebot in Höhe von 1,8 Mio. B/T aus. „Angesichts des bevorstehenden Überschusses bleiben die Marktaussichten weiterhin bearish. Das größte Aufwärtsrisiko für den Markt ist jedoch die Möglichkeit schärferer Sanktionen gegen Russland sowie umfassenderer Sekundärzölle“, glaubt Analyst Warren Patterson von der ING.

Für Patterson ist der Markt damit in erster Linie von den Entscheidungen in Washington abhängig. Schaffen es die USA durch ihre Sanktionen, russische Öllieferungen an Länder wie Indien und China spürbar zu reduzieren, würde die erwartete Überversorgung geringer ausfallen. Auch eine mögliche Zinssenkung der Fed kann die Preise stützen - anders als Sanktionen wirkt diese aber eher langfristig und weniger drastisch, sodass der größte potenziell bullishe Hebel die US-Sanktionen bleiben.

Momentan ist der Markt dank der Sommernachfrage noch nicht überversorgt. In den kommenden Monaten wird sich die Marktlage laut Analysten aber spürbar ändern, zumindest, solange die US-Sanktionen die russischen Rohöllieferungen nicht entscheidend stören können. Damit ergibt sich ein Spannungsfeld aus kurzfristig potenziell bullishen Elementen und einem langfristig bearishen Ausblick. Die Volatilität könnte somit in den kommenden Wochen zunehmen, bis sich herausstellt, welche Faktoren sich letztlich durchsetzen.

Fundamental nehmen wir damit heute Morgen – trotz des bullishen Bestandsberichts des DOE gestern – weiter eine leicht bearishe Haltung ein.

Daniel Ehrler
Die Marktnews beziehen sich auf die Entwicklung der internationalen Rohöl- und Produktnotierungen. Die effektive Preisentwicklung in der Schweiz kann aufgrund von weiteren Einflussfaktoren wie Transportkosten, Rheinfrachten oder Dollarkurs jedoch abweichen.

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