Trump konkretisiert Drohung in Richtung Moskau

Der US-Präsident hatte am Rande seiner Treffen in Schottland eine Verkürzung des Ultimatums für Russland angekündigt . Die wenig konkrete Äußerung, man werde die Frist auf 10 oder 12 Tage reduzieren, machte aber eher den Eindruck einer spontanen Bemerkung als einer durchdachten und ernsthaften Verschärfung der Drohung.Am späten Dienstagabend konkretisierte der US-Präsident bei seiner Abreise in Richtung USA aber diesen - eher flapsig anmutenden - Kommentar des Vortages. Nachdem er sich mit seinen Beratern ausgetauscht hatte, setzte er die Frist auf 10 Tage ab Dienstag. Moskau hat damit bis Freitag kommender Woche - also bis zum 8. August - Zeit, ernsthafte Friedensverhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen.

Eine Liste an Bedingungen zur Erfüllung der Fortschritte wurden zwar nicht öffentlich, es ist aber anzunehmen, dass damit zumindest ein Waffenstillstand gemeint ist. Wird eine Waffenruhe nicht binnen 10 Tagen erreicht, werde es "Zölle und andere Dinge" geben, so Trump. Die US-Administration hat angekündigt, gegen alle Länder, die sich nicht an die Sanktionen halten und weiter Öl aus Russland kaufen, Einfuhrzölle in Höhe von 100 % zu verhängen.Damit sind vor allem China und Indien gemeint, die in den letzten Jahren den Großteil des russischen Öls aufgekauft haben. Während Indien sich zuletzt offen zeigte, sich von der Versorgung aus Russland loszueisen, dürfte China wenig begeistert davon sein, sich dem Druck aus Washington zu beugen. Das Thema wird sicherlich auch Gegenstand der generellen Zollverhandlungen mit den USA sein, was die Gespräche mit Indien und vor allem China verkomplizieren wird.Ab wann die Sekundärzölle gelten, ist ebenfalls noch unbekannt, aber wenn alleine Indien seine Bezüge aus Russland komplett einstellt, muss das Land rund 2,3 Mio. B/T aus anderer Quelle beziehen. Zu viel für die OPEC, sodass die Preise für Rohöl wohl steigen müssten."Effektive Sekundärzölle von 100 % würden zu einer dramatischen Veränderung des Ölmarktes führen. Einige wichtige Abnehmer russischen Öls würden sich bei Käufen russischen Öls zurückhalten, insbesondere große US-Handelspartner. Dies gibt der OPEC+ zwar Spielraum weitere Förderkürzungen rückgängig zu machen, würde im schlimmsten Fall aber dennoch zu einer Unterversorgung am Markt führen," so die Analysten der ING.Angesprochen auf die Problematik sieht Trump keine Gefahr von Versorgungsproblemen. "Ich mache mir darüber keine Sorgen. Wir haben so viel Öl in unserem Land. Wir werden [die Förderung] einfach weiter steigern." Dass dies aber tatsächlich eine Lösung ist, darf zumindest angezweifelt werden.

US-Ölförderung mit limitierten Kapazitäten

Geht es nach den Vorstellungen von US-Präsident Trump, wäre eine Verschärfung der Russland-Sanktionen eine Win-Win-Situation. Wenn andere Länder weiterhin russisches Öl kaufen, belegt man diese mit 100 % Einfuhrzöllen, was die Einnahmen der USA erhöht. [Hinweis: Wir verzichten an dieser Stelle auf die tatsächliche volkswirtschaftliche Auswirkung von Zöllen, die nicht vom Ausland, sondern den US-Verbrauchern bezahlt werden].

Halten sich die Länder an die Sanktionen, müssen diese russisches Öl durch Lieferungen aus anderen Ländern ersetzen. Trump geht in diesem Fall davon aus, dass die US-Ölindustrie seine "Drill-Baby-Drill!" Vorgabe erfüllt und die Förderung einfach hochfährt. "Wir haben so viel Öl in unserem Land. Wir werden [die Förderung] einfach weiter steigern," so Trump zu Nachfragen bezüglich potenzieller Engpässe bei der Ölversorgung.Auch wenn die USA noch immer große Ölvorkommen und Ausbaupotenziale haben, so ist hinlänglich bekannt, dass die Ölproduktion keinen Schalter hat, den man einfach umlegt. Schaut man auf die wöchentlichen Zahlen des Baker Hughes Report, so sieht man insbesondere in diesem Jahr einen starken Rückgang bei den Ölbohranlagen. Seit der KW 17 (Ende April) hat die Anzahl der aktiven Anlagen von 483 auf 415 abgenommen – der niedrigste Stand seit 2021 und ein Rückgang um -14,1 %.Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Ölindustrie. Ist der Ölpreis zu niedrig, dann rentiert sich die kostenintensive Suche und Erschließung neuer Ölquellen schlichtweg nicht. Laut der jüngsten Analyse der Dallas Fed liegt der durchschnittliche Break-Even-Preis für Schieferölquellen im Permian Becken bei etwa 64 Dollar pro Barrel. Niedrigere Preise und steigende US-Ölproduktion sinddaher aktuell nicht in Einklang zu bringen.

Marktlage

Nachdem Trump damit droht die Keule gegen Russland und seine Handelspartner auszupacken, hat sich der Blick der Trader auf die Versorgungslage wieder verschoben. Eigentlich sieht man mit der Produktionssteigerung der OPEC+ in den kommenden Monaten und vor allem 2026 eine Überversorgung auf den Markt zukommen, doch das könnte sich mit einer Eskalation bei Handelsfragen auch schnell ändern.Folgen China und Indien den Vorgaben der USA, dann ist mit einer erheblichen Verknappung der globalen Versorgungslage zu rechnen. Selbst wenn China weiter Öl aus Russland bezieht, würde allein der Verzicht Indiens auf den Import russischen Öls die Preise wohl stützen. 2,3 Mio. B/T müsste aus anderen Quellen bezogen werden, was die globalen Handelsrouten verschieben wird. Alleine das führt zu temporären Ineffizienzen und Preissteigerungen, abgesehen davon, dass die Nachfrage Indiens durch andere Länder bedient werden muss.Dass die USA die Lücke füllen kann ist zumindest kurzfristig und insbesondere beim aktuellen Preisniveau eher unwahrscheinlich. Weitere Produktionssteigerungen der OPEC sind zwar denkbar, jedoch glaubt Analystin Natasha Kaneya von JPMorgan nicht daran, dass die OPEC genug Reservekapazitäten besitzt, um den Zusatzbedarf unmittelbar aufzufangen. Auch sind Rachemaßnahmen Moskaus, beispielsweise die Schließung der kasachischen Ölexporte über den russischen Hafen im Schwarzen Meer, nicht auszuschließen.Hält sich China nicht an die Vorgaben der USA könnte dies zwar zu einem Handelskrieg zwischen den Ländern führen, was das globale Wirtschaftswachstum und Ölnachfrage dämpft. Doch inwieweit dies die Preissteigerungen durch den zusätzlichen Ölbedarf entgegenwirkt, ist nicht abzuschätzen.Die Unsicherheit bezüglich der Versorgungslage für die kommenden Monaten haben mit den neuen US-Drohungen daher erst einmal erheblich zugenommen. Je nach Entwicklung könnten dann auch die Prognosen in den Monatsreports angepasst werden, was zu einer erhöhten Volatilität führen wird. Die bearishen Zahlen des API von gestern Nacht rücken damit in den Hintergrund und die fundamentale Marktlage wird von uns erst einmal bullish eingestuft, während sich auch bei den Inlandspreisen rechnerische Aufwärtspotenziale abzeichnen.

Daniel Ehrler
Die Marktnews beziehen sich auf die Entwicklung der internationalen Rohöl- und Produktnotierungen. Die effektive Preisentwicklung in der Schweiz kann aufgrund von weiteren Einflussfaktoren wie Transportkosten, Rheinfrachten oder Dollarkurs jedoch abweichen.

Die Lienert + Ehrler AG übernimmt keine Haftung für Vollständigkeit und Richtigkeit der auf dieser Seite publizierten Informationen.